Anwesenheitsprämie: Motivationsbooster oder Frustschürer?

Krank sein und krank machen: Das sind manchmal zwei verschiedene Paar Schuhe. Die Anwesenheitsprämie soll Anreize schaffen, um Fehlzeiten zu reduzieren. Doch wie sinnvoll ist eine solche Sondervergütung? Welche Vor- und Nachteile bringt sie mit? Wir beleuchten die Anwesenheitsprämie genauer.

Anwesenheitsprämie: Motivationsbooster oder Frustschürer?

Diese Vor- und Nachteile hat die Sondervergütung für Gesunde 

Krank sein und krank machen: Das sind manchmal zwei verschiedene Paar Schuhe. Denn auch, wenn die meisten Beschäftigten sich nur dann krank melden, wenn sie tatsächlich erkrankt und nicht arbeitsfähig sind, so gibt es die kleine Minderheit der Blaumacher:innen, die sich kurzerhand gerne mal an Brückentagen oder an Montagen noch eine zusätzliche bezahlte Auszeit gönnen, ohne wirklich krank zu sein. Einige Unternehmen setzen deshalb auf eine Anwesenheitsprämie, die die belohnen soll, die wenige Fehltage haben. Doch wie sinnvoll ist eine solche Sondervergütung? Welche Vor- und Nachteile bringt sie mit? Wir beleuchten die Anwesenheitsprämie genauer.

“Ach, der eine Tag, das kann das Unternehmen doch verkraften!”, so mag vielleicht der ein oder andere denken, der blau macht. Doch hochgerechnet auf alle Arbeitnehmer:innen kommt da in Deutschland einiges zusammen. Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch Fehlzeiten entsteht, ist enorm. Die Anwesenheitsprämie dient Arbeitgebern als Instrument, um Krankentage zu senken, Entgeltfortzahlungskosten zu reduzieren und Störungen im Betriebsablauf und dadurch bedingte Kosten zu minimieren. Aus Unternehmenssicht sind das durchaus nachvollziehbare Gründe – zumal sich Unternehmen mit der Anwesenheitsprämie auf rechtlich sicherem Fuß bewegen, die laut Entgeltfortzahlungsgesetz als Sondervergütung zu handhaben ist.

Aus Sicht der Arbeitnehmenden kann diese Prämie jedoch problematisch sein und weniger als Bonus, sondern eher als Kürzung der Sondervergütung im Falle von Erkrankung wahrgenommen werden. Arbeitnehmer:innen können sich dadurch ausgegrenzt oder gar diskriminiert fühlen. Schließlich hat man die Gesundheit nur bedingt in der eigenen Hand.

Rechtliche Grundlage

Die Anwesenheitsprämie muss im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt sein, um wirksam zu werden. Eine fallbezogene oder spontane Anwendung ist nicht möglich. Sie ist laut Entgeltfortzahlungsgesetz als Sondervergütung zu handhaben, also als Bonus zusätzlich zum Gehalt.

Was jedoch gesetzlich nicht geregelt ist, ist die Höhe des Gesundheitsbonus’, wie die Anwesenheitsprämie auch genannt wird. Geklärt ist jedoch, wie der Bonus pro Fehltag schwindet: So darf er pro Fehltag nur um den Betrag gekürzt werden, der einem Viertel des jahresdurchschnittlichen Entgelts pro Arbeitstag entspricht. Viele Unternehmen handhaben das pragmatisch und setzen auf Formulierungen wie:

  • Wer weniger als 5 Arbeitstage im Jahr fehlt, erhält die Anwesenheitsprämie in voller Höhe.
  • Wer zwischen 5 und 10 Arbeitstagen im Jahr fehlt, bekommt 50 Prozent des Bonus’.
  • Wer mehr als 10 Arbeitstage fehlt, erhält keinen Bonus.

Fair oder nicht fair?

Mitarbeiter:innen, die sich um ihre Gesundheit bemühen, wenig Fehlzeiten haben und keine Blaumacher:innen sind, häufig vielleicht sogar noch die Krankheitsvertretung von Kollegen und Kolleginnen übernehmen, mögen die Anwesenheitsprämie als gerecht empfinden. Anders sieht es mit denen aus, um die es gesundheitlich weniger gut bestellt ist. Denn denen geht durch Fehlzeiten ebenso ein Teil des Bonus’ flöten wie denjenigen, die unerkrankt blau machen. Deshalb ist die Prämie mit Vorsicht zu genießen und sollte bei Einführung im Unternehmen genau durchdacht werden.

Vorteile und Nachteile der Anwesenheitsprämie

Denn auch für Unternehmen gehen nicht ausschließlich Vorteile mit der Anwesenheitsprämie einher. Sie birgt auch Risiken und Nachteile.

Vorteile:

  • Der finanzielle Anreiz kann für Motivation sorgen.
  • Fehlzeiten werden kurzfristig verringert.
  • Mitarbeiter:innen können die Prämie als Anreiz zu einem gesünderen Lebenswandel nehmen.
  • Kollegen und Kolleginnen, die im Krankheitsfall als Vertretung einspringen, werden entlastet.

Nachteile:

  • Erkrankte Mitarbeiter:innen können sich diskriminiert fühlen, was deren Motivation verringert.
  • Durch die Prämie kann ein Ungleichgewicht im Team entstehen, was sich auf das Betriebsklima auswirkt.
  • Wer sich wegen der Prämie krank zur Arbeit schleppt, arbeitet weniger konzentriert und macht mehr Fehler, die ebenfalls finanziellen Schaden verursachen können.
  • Wer krank ist und sich nicht auskuriert, reduziert zwar kurzfristig die Fehltage, fällt jedoch langfristig meist länger und häufiger aus.
  • Mitarbeiter:innen mit ansteckenden Krankheiten können bei Anwesenheit im Unternehmen andere anstecken, wodurch die Fehltage rasant ansteigen.
  • Die Anwesenheitsprämie drückt ein Misstrauen gegenüber den Angestellten aus, die Ursachen für Fehltage werden in Frage gestellt.
  • Liegen die Ursachen für Fehltage in Form von Blaumachen im Unternehmen begründet, etwa weil die Teamstimmung schlecht oder der/die Chef:in ein:e Choleriker:in ist, werden diese durch eine Anwesenheitsprämie nicht behoben.

Fazit

Die Anwesenheitsprämie ist umstritten. Der DGB sieht sie aufgrund der Nachteile am eigentlichen Ziel vorbeischießen und betrachtet sie als Widerspruch zum Schutzgedanken des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Innerhalb der Belegschaft kann die Prämie zu Konflikten führen und vor allem chronisch Kranke benachteiligen. Ehe sich Unternehmen für einen Gesundheitsbonus entscheiden, sollten sie Vor- und Nachteile genau abwägen und im besten Fall ein gestaffeltes Modell (siehe oben) wählen, um präventiv gegen Frust in der Belegschaft vorzugehen.

#Autor#

Vanessa Schäfer

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Vanessa arbeitete fast 7 Jahre als Head of Content bei kursfinder.de. Als kreativer Kopf hat sie mit ihrem Redaktionsteam redaktionelle Beiträge und Reports erstellt. Außerdem versorgte sie die Nutzer:innen des Portals mit Lesestoff rund ums Thema Weiterbildung und Berufsalltag durch den kursfinder-Newsletter und war zuständig für die Pressearbeit. (weniger anzeigen)

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Vanessa arbeitete fast 7 Jahre als Head of Content bei kursfinder.de. Als kreativer Kopf hat sie mit ihrem Redaktionsteam redaktionelle Beiträge und Reports erstellt. Außerdem versorgte sie die Nutzer:innen des Portals mit Lesestoff rund ums Thema Weiterbildung und Berufsalltag durch den kursfinder-Newsletter und war zuständig für die Pressearbeit.

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